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Interview – Ein Hund aus dem Tierheim: „Macht es! Auf jeden Fall!“

Hund aus dem Tierheim Hundeblog
Neele
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Julia und Matthias werden den 11.11.16, 11 Uhr 11 wohl nie vergessen: An diesem Tag mussten sie ihre kleine Französische Bulldogge überraschend einschläfern lassen. Babsi litt mit nur 2,5 Jahren an akutem Nierenversagen. Ein einschneidendes Erlebnis für die beiden Hundeeltern: „Das hat uns ziemlich aus der Bahn geworfen. Aber wir leben nach dem Motto, dass alles im Leben seinen tieferen Sinn hat und aus jedem Negativen etwas Positives erwächst.“ So war den beiden schon bald klar, dass sie durch Babsis frühen Tod Platz und Liebe für ein Tier bekamen, dem es in seinem Leben bisher nicht so gut gegangen ist…Lotte fand ein neues Zuhause nachdem sie vermutlich sechs Jahre lang auf Rumäniens Strassen ums Überleben kämpfte.

Der Fiffibene Hundeblog sprach mit den beiden über Lotte, die erste Zeit mit ihr, Ängste, Bedenken, Herausforderungen und die Liebe zu einem Hund, der eine zweite Chance bekam.

Lotte durfte noch vor Weihnachten bei euch einziehen. Wie schnell habt ihr euch für sie/sie sich für euch entschieden?

Der Schritt, ins Tierheim zu fahren „um zu gucken“, wurde relativ spontan gefasst. An einem Sonntag im Dezember ist meine Mutter, die „Hundeoma“, mit Matthias und mir ins Tierheim Verlorenwasser gefahren – gut anderthalb Stunden mit dem Auto von Berlin entfernt. Dieses Tierheim hatten wir uns aus vielen aufgrund seiner ansprechenden Internetpräsenz ausgesucht und auch, weil wir unter den Hündinnen schon einige ausmachen konnten, die unserer Suche (maximal 15kg, weiblich) entsprachen.

Wir haben sehr emotional und teilweise unter Tränen das Tierheim und seine Gruppenfreiluftgehege erkundet und wurden von einer Tierheimpflegerin auf die Tiere hingewiesen, die zu unserer Suche passten. Irgendwann deutete meine Mutter auf Lotte, damals noch Chiny, eine ängstliche, unscheinbare kleine schwarze Hündin, die ihr ins Auge gefallen war. Ich war mit der Situation restlos überfordert und nicht zu einem Entschluss fähig, stand schluchzend und verwirrt neben Mama und Matze.

Irgendwann zeigte auch Matthias auf die gleiche Hündin – ohne, dass er den Hinweis meiner Mutter mitbekommen hatte. Das nahmen wir zum Anstoß, mit der kleinen Hundelady eine Runde im Wald zu drehen. Nach ihr spazierten wir noch mit einer anderen Hündin, aber bereits nach fünf Metern war uns allen klar: Lotte, das kleine ängstliche 7kg leichte Mischlingshundchen aus Dackel, Pinscher und Rottweiler, soll es werden.

„Nach fünf Metern war uns klar: Lotte soll es werden!“

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Julia mit ihrem Schützling Lotte. Foto: Julia

Ist ihre Vergangenheit bekannt?

Die Tierheimpfleger erzählten uns erst nach unserer Entscheidung, uns auf Lotte „zu bewerben“, dass sie vor anderthalb Wochen aus einem Tierheim in Rumänien nach Deutschland gekommen war. Sie war frisch kastriert und hatte einige Narben, beispielsweise an beiden Ohren von den Marken im rumänischen Tierheim und eine tiefe Narbe am Nacken, vermutlich von einem Würgehalsband. Man kann erkennen, dass Lotte wohl schon Hundemama sein muss. Und ihr Alter wird anhand des Zustands ihrer Zähne auf sechs Jahre geschätzt. Mehr Informationen hatten auch die Pflegerinnen nicht, aber sie sagten, sie würden sich immer selbst einen Eindruck von den Tieren verschaffen, da alles andere ohnehin meist nur Spekulation sei. Ein schlauer Satz!

Lotte: Eine sechsjährige Rumänin.

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Wie habt ihr euch auf den Neuankömmling vorbereitet?

Matthias hat viele Fachbücher und Spielzeuge gekauft – nicht, dass wir nicht schon gut ausgerüstet gewesen wären, aber er wollte es Lotte besonders schön bei uns einrichten. Auch haben wir uns im Vorfeld mit BARF beschäftigt und uns entschieden, Lotte auf diese Ernährung einzustellen. Wir haben alle Hundedecken frisch gewaschen und am Tag vor ihrer Ankunft die ganze Wohnung geputzt und aufgeräumt, um sie ganz in Ruhe ihr neues Heim erkunden lassen zu können.

„Na mal sehen, ob wir sie einfangen können, sie ist super ängstlich…“

Wie haben die Tierheimpfleger Lotte beschrieben?

„Na mal sehen, ob wir sie einfangen können, sie ist super ängstlich“ war der Satz den wir hörten, als wir darum baten, mit Lotte eine Runde im Wald zu spazieren. „Super ängstlich“ war die einzige Beschreibung, die uns gegeben wurde und die auch vollkommen zutraf.

Wie würdet ihr sie nach den ersten Tagen Zusammenleben beschreiben?

Lotte war von Beginn an natürlich mächtig anhänglich, aber auch total verschmust. Sie quetschte sich so dicht an uns ran, dass man manchmal nicht mehr richtig sitzen konnte aus Angst, sie zu zerdrücken. Die ersten Tage waren begleitet von fast dauerhaftem Fiepen und Quietschen – wenn Herrchen oder Frauchen nicht im selben Raum waren, einer gar hinter der verschlossenen Badezimmertür war oder zur Arbeit ging. Das Fiepen konnte einem gut den Schlaf rauben, es wurde aber rückblickend immer weniger, sodass Lotte jetzt gerade gemütlich im Bett liegt, während ich drei Zimmer weiter am PC sitze…

Fiepen und Quietschen: Lottes Verlustangst…

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Lotte wurde als „sehr ängstlich“ beschrieben. Foto: Julia

Gab es schon lustige, emotionale, amüsante, überraschende Momente?

Besonders überrascht waren wir, als wir Lotte eines Abends plötzlich auf dem Esstisch entdeckt haben. Erstens wussten wir nicht, wie hoch sie springen kann und zweitens nicht, dass sie Keksdosen öffnen kann. 😉 Auf den Tisch ist sie danach noch einmal geklettert: An Heiligabend, als sie in einem unbeobachteten Moment genüsslich Vanilleeis von den Tellern geleckt hat. Man merkt, dass Lotte in Rumänien sich vermutlich zumindest eine Zeit lang ihr Futter selbst beschaffen musste: Sie hat einen vier Kilo Sack Futter, der nicht für sie sondern als Spende gedacht war, aus dem Versandkarton gehoben (der halb so viel wiegt wie sie selbst), ihn sorgfältig an der Naht geöffnet und sich mit ihrer spitzen Schnauze am Inhalt gütlich getan. Wir könnten unzählige schöner Momente nennen, die wir in den sechs Wochen, in denen Lotte nun bei uns ist, erlebt haben – kurzum: Sie ist eine Bereicherung für unser Leben, amüsiert uns, fordert uns und macht uns unheimlich glücklich.

„Sie ist eine Bereicherung für unser Leben!“

 

Lotte ist nicht euer erster Hund, aber der erste aus dem Tierheim. Das finden wir klasse. Wie kam es zu der Entscheidung?

Nach Babsis Tod, die wir ja vom Züchter hatten, stand es für uns außer Frage, wieder einen Rassehund vom Züchter zu uns zu holen. Es gibt so viele arme Seelen in den Tierheimen, die aus unmöglichen Gründen kein Zuhause (mehr) haben – wir wollten die Geldmacherei mit „möglichst schönen Tieren“ nicht länger unterstützen. Es hat sich einfach so falsch angefühlt, dass man Rassehunde, natürlich am besten Welpen, älteren Mischlingstieren mit vielleicht schlimmer Vergangenheit vorzieht. Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, auch wenn wir Französische Bulldoggen nach wie vor lieben.

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Lotte ist angekommen. Foto: Julia

Hattet ihr auch Bedenken?

Ich war besorgt wegen Lottes Alter. Erst wurde uns gesagt „alle Tiere in diesem Gehege sind höchstens drei Jahre“ – und dann hatten wir Lotte auserkoren und sie teilten uns ihr Geburtsjahr 2010 mit. Die Angst, dass man das nächste Tier nach so kurzer Zeit wieder verlieren könnte, war groß. Aber im Endeffekt bedeutet das Alter rein gar nichts, das haben wir ja an Babsi merken dürfen. Egal, wie alt Lotte wirklich ist – wir machen ihr ihr ganzes Hundeleben wundervoll – und dann ist es auch egal, wie lange es dauert, solange sie immer geliebt wird und sich wohlfühlt!

Wie wurdet ihr vom Tierheim beraten, bei der Auswahl begleitet?

Die Tierheimpfleger haben uns zu Beginn sehr frei entscheiden lassen und uns alle Zeit der Welt eingeräumt, standen aber bei Fragen immer zur Seite. Auch der Bewerbungsbogen, den man ausfüllen musste, war äußerst umfangreich und liebevoll aufgebaut – sodass offensichtlich wurde, dass das Wohl der Tiere die oberste Priorität hat. Als wir dann das nächste Mal im Tierheim waren und erfahren haben, dass Lotte an diesem Tag nach Hause kommen dürfte, haben uns die Mitarbeiterinnen des Tierheims noch besonders aufgeklärt und beraten. Die Tierheimpflegerin, die mit uns alles Vertragliche regelte, berichtete von ihren Erfahrungen mit Hunden aus Rumänien, was uns sehr gut getan hat.

Die Tierheimpfleger des Tierheims haben sich Zeit genommen und ausführlich beraten.

Wie hat Lotte ihr erstes Silvester überstanden?

Lottes erstes Silvester war, entgegen der Warnungen der Tierheimpflegerinnen, gut zu überstehen. Mit der Hintergrundinfo, dass in Rumänien auf Straßenhunde geschossen wird und deshalb Feuerwerksgeräusche in Lotte große Panik auslösen würden, sind wir in den 31. Dezember gestartet. Hier in Berlin fangen die Knallereien ja schon ein paar Tage vorher an, aber das hat Lotte tapfer ausgehalten (bis auf die Polenböller, die sogar Herrchen und Frauchen zusammenzucken ließen). Wir verbrachten den Silvesterabend bei Freunden, wo sie sich kurzzeitig unters Bett verzog, aber den größten Teil des Abends auf der Couch im Kreise ihres Rudels tief und fest verschlafen hat. Natürlich auf dem Rücken liegend, alle Viere in der Luft 🙂



Was ratet ihr Lesern, die ebenfalls erwägen, einem Hund aus dem Tierheim ein Zuhause zu schenken?

Macht es! Auf jeden Fall! Es ist eine besondere Wertschätzung jeden Lebens, auch den Tiere mit schwierigerem Charakter, die vielleicht weniger besonders aussehen mögen, nicht eine bestimmte Farbe haben, mit Liebe zu begegnen und ihnen ein Heim zu geben. Wieso sollten „schöne Tiere nach Wunsch“ produziert werden, wenn es unzählige Seelen in den Tierheimen gibt, die auf ein Zuhause warten und einem das, was man für sie tut, doppelt und dreifach an Liebe zurück zu geben.

Wir danken euch für dieses wundervolle Interview und eure ehrlichen, wahren Worte! Ihr werdet noch unzählige schöne Momente mit Lotte erleben! Alles Liebe für eure kleine Familie!

 

Eure Fiffibene

 

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Hi, ich bin Neele, #Hundenärrin, #Hundemama, #Hundehaarmagnet, #Bücherwurm, #Textmaniac, #Yogi www.om-sweet-om.de. Auf diesem Hundeblog schreibe ich über das Leben mit Hund. Im Hundeblog findet ihr Trends, Lustiges, Ernstes, Absurdes, Wissenswertes. Ich sage nur: Let the dogs rock the world!

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