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Hund und Mensch: Wenn Rücksicht zum Fremdwort wird

Rücksicht Gesellschaft Hund
Neele
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Rücksicht – davon gibt es vielerorts zu wenig. Immer wieder werden Hundehalter von anderen Menschen drangsaliert, häufig ohne Grund. Doch auch unter Hundehaltern gibt es solche, die nicht viel von Rücksichtnahme halten.

Von Gastautor Christoph Detmer

Es ist noch nicht lange her, da war ich mit Telmo in unserem Ort unterwegs. Da es bei uns sehr viele Hunde gibt, allein acht in unserer Straße, gibt es auf diesen Runden natürlich viele Nachrichten zu lesen. So auch an einem mit Büschen bepflanzten Grünstreifen. Aus einer Nebenstraße war ein Herr mittleren Alters gekommen, hatte sich mit hinter dem Rücken verschränkten Armen ca. zwei Meter neben Telmo gestellt und direkt auf ihn herunter gesehen. Ich hatte mich zwar gewundert, aber ganz bewusst nicht weiter reagiert. Als Telmo nach einem Moment aufgesehen und seinen Kopf in Richtung dieses ihn fixierenden Dreibeiners gedreht hatte, hatte dieser nichts Besseres zu tun, als einen Schritt auf ihn zuzumachen, mit dem Fuß dabei auf den Boden zu stampfen und in vorgebeugter Haltung Telmo direkt in die Augen zu starren. Dessen Reaktion war eindeutig, sich groß machen, Rute senkrecht, leicht gesträubtes Nackenfell und diesen überaus freundlichen Herrn ebenfalls fixieren. Jetzt erst hatte ich reagiert und mit dem Hinweis, Hunde würden das Fixieren als Provokation auffassen und entsprechend reagieren, gebeten, das Anstarren bitte sein zu lassen. Die Antwort auf meine anschließende Frage, was das überhaupt solle, und ob ich ihm helfen könne, hatte bei mir eine leichte Irritation ausgelöst, „ich will sehen, ob der da auch unsere ganze Straße vollscheißt“. Hmmm, ein Hund schnüffelt an einem Gebüsch und das soll ein untrügliches Zeichen dafür sein, dass die ganze Straße wenig später also von Kot übersät ist?????? Sollte ich diesen Herrn irgendwann mit einer Packung Toilettenpapier aus dem Supermarkt kommen sehen, werde ich ihn einmal ansprechen, nicht das der Parkplatz anschließend…

Rücksicht Gesellschaft Hund

Foto: Christoph Detmer

Ein anderes Erlebnis. Unverantwortlich empfand ich das Verhalten einer Mutter. Ihr Kind, ca. fünf Jahre alt, hatte sich in einer Trotzreaktion in eine große Pfütze gesetzt. Dass eine Mutter darüber nicht gerade erfreut ist, verstehe ich. Aber als sie ihren Nachwuchs lautstark schimpfend aus der Pfütze rausgerissen und auf Telmos darauf einsetzendes Bellen ihrem Kind erklären wollte, der Hund wäre auch böse, weil es sich in die Pfütze gesetzt hätte, und er würde es beißen, wenn es jetzt nicht hört, war mir das dann doch zu viel und ich hatte ihr erklärt, dass nicht das Verhalten des Kindes, sondern ihre eigene Aggression für das Bellen verantwortlich wäre (Telmo reagiert auf aggressives Verhalten von ihm unbekannten Menschen ungehalten) und dass es eine äußerst schlechte Erziehung sei, bei Kindern eine grundsätzliche und grundlose Angst vor Hunden zu provozieren.

Viele Hundehalter/innen haben vielleicht einmal die ein oder andere ähnliche Szene erlebt. Auch Radfahrer, die nicht einsehen, ihre Geschwindigkeit zu drosseln oder wenigstens die Klingel zu benutzen und in minimalem Abstand dicht an Hund und Mensch vorbeirauschen, dürften so manchem nicht ganz unbekannt sein. Ich habe mich auch schon über Jugendliche geärgert, die gemeint hatten, ihren Ball dicht vor Telmo auf den Boden werfen zu müssen. Wo man auch hinsieht, egal ob im Straßenverkehr, beim Einkauf im Supermarkt oder eben während Spaziergängen mit (oder ohne) Hund, Rücksichtnahme wird scheinbar immer mehr zu einem Fremdwort.

Hunde verstehen

Foto: Christoph Detmer

HALT, STOPP, ein Wort habe ich vergessen, „gegenseitig“.  Ja genau, es muss „gegenseitige Rücksichtnahme“ heißen. Wir Hundehalter/innen machen es nämlich oft nicht besser als die Mitmenschen, über deren Verhalten wir uns beschweren. Wir sind nicht immer so perfekt wie wir es von anderen gerne erwarten (ich beziehe mich da mit ein). Bellos netter kleiner oder auch großer Haufen dekorativ und genau in der geometrischen Mitte eines Weges, Zeus, der mit großem Abstand zu seinen Haltern zügig auf eine Gruppe zunehmend ängstlich dreinschauender Senioren zuläuft, oder King, der seinen Namen allzu wörtlich nimmt, und sämtlichen anderen Hunden unwidersprochen beweisen darf, dass er der Herr im Ring ist und sie sich ihm unterzuordnen haben. Nicht zu vergessen die beiden Sportskanonen Sam und Tobi, die bei der Verfolgung von panisch flüchtendem Wild ungeahnte Sprintqualitäten entwickeln und jeden Versuch des Rückrufs geflissentlich ignorieren.

An dieser Stelle möchte ich eine Frage stellen. Sich über falsches, ungerechtfertigtes, oft auch rücksichtsloses Verhalten anderer Menschen beschweren ist einfach, aber machen wir Hundehalter/innen es denn tatsächlich immer besser? Ist es denn zwingend erforderlich, den Hund auch während der Brut- und Setzzeit immer und überall frei laufen zu lassen? Warum beantwortet man die Bitte, den Hund anzuleinen, mit einem „brauch ich nicht, der tut nix“? Brechen wir uns einen Zacken aus der Krone, wenn wir unsere Vierbeiner ein paar Meter bei Fuß laufen lassen und dadurch z. B. Joggern die mögliche Befürchtung nehmen, unsere Fellnase könnte sich zu einem Jagdspiel aufgefordert fühlen und sie zu einer nicht unerheblichen Steigerung ihres Lauftempos motivieren? Meine Frau und ich haben für etwas Rücksicht schon mehrfach ein freundliches „danke“ gehört. Eine Bitte auch an vermeintliche Profis und ihre Trainingsgruppen. Selbst wenn ihr euch auf Hunde mit Aggressionsproblemen spezialisiert habt, bitte sucht euch für das Training eine andere Örtlichkeit als eine Wegkreuzung in einen von sehr vielen Menschen (auch mit Kindern) zum Spaziergang genutzten Wald. Ihr erspart euch damit die hektischen und lautstarken Anweisungen an die Teilnehmer, ihre Hunde zu sichern, weil sich andere Menschen mit oder ohne Hund nähern.

Bei der nächsten Gassi-Runde vielleicht einfach einmal mehr auf den Hund und die Umgebung statt auf das Handy achten, vielleicht einfach einmal daran denken (und sich entsprechend verhalten), dass wir unsere Fellnasen und ihr Verhalten hoffentlich besser einschätzen können als fremde Menschen und sich vielleicht trotzt des zwickenden Ischias bücken und Lumpis Hinterlassenschaft in den dafür vorgesehenen Beutel befördern. Mit ein bisschen Rücksicht von beiden Seiten verlaufen Gassi-Runden und auch Begegnungen mit Nicht-Hundehaltern oft wesentlich entspannter.

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