Allgemein, Aufmacher, Hund & Mensch
Kommentare 4

Hunde sprechen leise – Hört gut hin

Hunde verstehen
Neele
Find me

 

Wir Menschen sprechen laut und haben eine grobe, teilweise aggressive und für Hunde oft missverständliche Körpersprache. Hunde sprechen leise, man muss ihnen nur zuhören, denn sie haben uns viel zu erzählen.

Von Gastautor Christoph Detmer

 

Stellt euch sich vor, ihr macht ganz alleine Urlaub in einem Land, in dem man euch nicht versteht und ihr selbst auch keinen Menschen versteht. Was macht man? Klar, mit Händen und Füßen geht es notfalls auch. Was aber wenn dort vielleicht eine völlig andere Kultur herrscht, eine Kultur, in denen eine freundlich zum Gruß ausgestreckte Hand vielleicht als Beleidigung oder noch fataler als Drohgebärde interpretiert wird? Blöde Situation aber auch, was soll’s, der Urlaub ist eh bald zu Ende und bis zum Rückflug verlässt man sich eben auf den Dolmetscher, den die Reiseleitung angeheuert hat. Was aber wenn es keinen Rückflug gibt? Wenn kein Dolmetscher zur Verfügung steht? So ungefähr könnte ich mir die Situation eines Hundes vorstellen, der bei Menschen lebt, die ihn nicht verstehen und die er nicht versteht. Nicht gerade ideale Voraussetzungen für ein harmonisches und möglichst konfliktarmes Miteinander.

Ich gebe es zu, erst nachdem Telmo bei uns eingezogen war und wir erleben konnten, was es bedeutet, einen Angsthund als Familienmitglied zu haben, hatten wir angefangen uns nicht nur oberflächlich, sondern intensiv für die Körpersprache, die Instinkte und das Verhalten von Hunden zu interessieren. Inzwischen ist daraus mehr oder weniger Faszination geworden.

Hunde verstehen

Foto: Christoph Detmer

In den ersten Wochen war Telmo ein stiller Beobachter, der nur dann den Mut hatte sich zu bewegen, wenn wir entweder nicht im Raum waren, oder zumindest starr wie römische Statuen auf dem Sofa gesessen hatten. Auch hatte es Monate gedauert, bevor er das erste Mal angeschlagen hatte als im Treppenhaus fremde Schritte zu hören waren. Wir hatten uns darüber gefreut, es war für uns die Bestätigung, dass Telmo angefangen hatte, unsere Wohnung auch als sein Territorium und damit als sein Heim zu betrachten. Als sein Anschlagen besonders in den Abendstunden häufiger wurde, hatten wir darüber mit Vera, unserer Trainerin, gesprochen. Ihre erste Frage, „wie ist seine Körpersprache, wenn er anschlägt?“. Ja gut, Körpersprache, er setzt sich auf, wenn er gerade gelegen hat und bellt. Wie ist die Stellung seiner Ohren, wo geht sein Blick hin, wie lange bellt er, sträubt sich sein Fell, alles Fragen, die wir ihr nur oberflächlich beantworten konnten, weil wir nicht darauf geachtet hatten. Also war intensives Beobachten angesagt.

Ein paar Tage später hatten wir das nächste Gespräch mit unserer Trainerin. Hört Telmo z. B. Schritte von fremden Personen im Treppenhaus, richtet er sich auf, bellt und sieht in Richtung Wohnungstüre. Dann (immer noch bellend) sieht er uns an und nach einem weiteren kurzen Moment geht er mit gesenkter Rute und gesträubten Fell langsam bis zögerlich in den Flur. Veras Antwort war klar und deutlich. Telmo richtet sich auf und bellt, er hört also etwas und will euch aufmerksam machen, er sieht euch an, also erwartet er eine Reaktion von euch. Aber reagiert ihr? Nein, ihr bleibt sitzen. Telmo bekommt dadurch den Eindruck, ihr versteht ihn nicht. Also muss er selbst aktiv werden. Sein über die gesamte Rückenlänge gesträubtes Fell und die deutlich gesenkte Rute sind ein Zeichen von Unsicherheit, trotzdem geht er zur Wohnungstüre, um die Angelegenheit zu klären. Es ist aber eure Aufgabe, das gemeinsame Territorium zu schützen, nicht seine, ihr seid für die Sicherheit verantwortlich. Ein sowieso unsicherer Hund, der vielleicht dauerhaft davon ausgehen muss, dass er von seinen Menschen sowieso nicht verstanden wird, verliert das Vertrauen in sie und trifft mehr und mehr eigene Entscheidungen.

Telmo hatte also versucht, mit uns zu kommunizieren, und wir hatten ihm nicht zugehört und somit auch nicht verstanden. Das wollten wir so schnell wie möglich abstellen. Ab diesem Moment waren entweder meine Frau oder ich aufgestanden, wenn er angeschlagen hatte und hatten für ihn deutlich sichtbar nachgesehen. Er hatte schon nach kurzer Zeit darauf reagiert, war abends grundsätzlich entspannter, hatte das Bellen jedes Mal schnell wieder eingestellt und sich hingelegt.

Hunde verstehen

Foto: Christoph Detmer

Ein besonders faszinierendes Erlebnis im Zusammenhang mit Kommunikation und Körpersprache hatten wir während eines Waldspaziergangs. Telmo kann es nicht leiden, wenn Artgenossen direkt auf ihn zukommen, was auch mit seiner Vergangenheit zu tun haben dürfte. Er ist von anderen Hunden erzogen worden, hat seine Artgenossen aber auch als erbitterte und notfalls kampfbereite Konkurrenten um Nahrung und einen sicheren Platz erlebt. Telmo und ich hatten an diesem Tag einen ausgedehnten Spaziergang durch den Wald gemacht und an einer schönen Stelle eine Pause eingelegt. Nach einigen Minuten kam eine Frau in unsere Richtung, ca. 20 Meter hinter, ihr ein Hund, ungefähr in Telmos Größe. Noch ein ganzes Stück von uns entfernt, war sein Artgenosse stehen geblieben und hatte angefangen zu bellen. Für Telmo eigentlich das Signal, sich zu erheben und ebenfalls laut und deutlich die Stimme zu erheben. An diesem Tag jedoch keine Spur davon, ganz im Gegenteil: kein Fell sträubt sich, er bleibt ruhig und dreht seinem Artgenossen einen Augenblick später sogar den Rücken zu und legt sich hin. Fast im gleichen Moment stürmt der andere Hund wie von der Tarantel gebissen an uns vorbei. Im Vorbeigehen erklärt mir die Halterin, dass ihr Hund in einer rumänischen Tötungsstation von mehreren anderen Hunden gebissen und schwer verletzt worden wäre. Seitdem hätte er Angst vor allen anderen Hunden und besonders, wenn diese ihn ansehen würden, würde er nur mit größten Problemen an ihnen vorbei gehen. Unsere Trainerin hatte mir dazu erklärt, dass wäre Kommunikation unter Hunden gewesen. Auch auf größere Entfernung könnten sie mit sehr feinen Signalen miteinander kommunizieren, Telmo hätte lediglich auf die Körpersprache seines Gegenübers reagiert und ihm dann deutlich zu verstehen gegeben, dass von ihm keine Gefahr ausgeht.

Hunde verstehen

Foto: Christoph Detmer

In der Zwischenzeit haben wir von Telmo noch sehr viel über Körpersprache und Kommunikation gelernt, achten (inzwischen unbewusst) auch auf kleine Signale. Aber auch Telmo hat gelernt, uns zu verstehen, was sicherlich mitverantwortlich dafür war, dass er uns vertraut. Er versteht nicht nur, was wir von ihm möchten, er gibt uns z. B. auch zu verstehen, wenn er die Sicherheit der Leine sucht, die einmal Panik bei ihm ausgelöst hatte.

Telmo und wir sind sicherlich kein Einzelfall und ich bedauere Menschen, die entweder nie gelernt oder sogar im Laufe der Zeit das Interesse daran verloren haben, mit ihren Hunden zu kommunizieren. Achten Sie einmal darauf, wenn euer Hund mit euch spricht, auch wenn die Worte wie bei unserer eigenen Fellnase manchmal nur aus einem Zucken der Lefzen, einer leicht veränderten Körperhaltung oder einem minimal veränderten Gang bestehen, es lohnt sich. Wir Menschen sprechen laut und haben eine grobe, teilweise aggressive und für Hunde oft missverständliche Körpersprache. Hunde sprechen leise, man muss ihnen nur zuhören, denn sie haben uns viel zu erzählen, von der Welt wie sie sie erleben und von Dingen die wir ohne die Hinweise, die sie uns geben, vielleicht gar nicht wahrnehmen würden. Ohne die Körpersprache unserer Hunde zu verstehen, sind wir nicht in der Lage mit ihnen korrekt zu kommunizieren oder ihren Bedürfnissen gerecht zu werden und leben mit ihnen in einer sozialen Gemeinschaft ohne wirklich sozial zu sein. Probleme im Umgang mit ihnen sind dann vorprogrammiert.

In den kommenden Wochen könnt ihr noch mehr von Autor Christoph Detmer lesen und zwar aus seinem Buch „Telmo, unsere Reise mit einem Angsthund“, das er mit seiner Frau Antje geschrieben hat. Falls ihr jetzt schon neugierig seid, könnt ihr es bei Amazon bestellen: Telmo, unsere Reise mit einem Angsthund.

Telmo: Unsere Reise mit einem Angsthund

 

Verpasst keinen Beitrag mehr! Meldet euch für den Fiffibene Newsletter an!

 

(Visited 847 times, 1 visits today)
Kategorie: Allgemein, Aufmacher, Hund & Mensch

von

Hi, ich bin Neele, #Hundenärrin, #Hundemama, #Hundehaarmagnet, #Bücherwurm, #Textmaniac, #Yogi www.om-sweet-om.de. Auf diesem Hundeblog schreibe ich über das Leben mit Hund. Im Hundeblog findet ihr Trends, Lustiges, Ernstes, Absurdes, Wissenswertes. Ich sage nur: Let the dogs rock the world!

4 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert