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Interview mit Julia Neuen: „Erfahrung ist unbezahlbar!“

Hundeblog Fiffibene interviewt Issn Rüde
Neele
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Julia Neuen ist wohl das, was man eine Powerfrau nennt: Sie ist Mutter einer fast zwei-jährigen Tochter, arbeitet zu 50 Prozent als Purserin bei der Lufthansa, zu 50 Prozent als gefragte Hundepsychologin und betreibt seit Anfang 2013 den Hundeblog Issn´Rüde. Außerdem schreibt sie als Hunde-Expertin für Medien wie die Huffington Post und das Hundemagazin Dogs.

Fiffibene sprach mit Julia darüber, wie sie zur Hundepsychologie kam, was sie über Hundetrainer denkt und wie sie zu Martin Rütter und Cesar Millan steht.

Julia, wie bekommt man einen Job bei einer der größten Fluggesellschaften mit der Hundepsychologie und dem Schreiben unter einen Hut?

Ich muss sagen, ich habe noch nie ausschließlich nur einen Job gehabt. 50 Prozent habe ich immer für die Lufthansa gearbeitet und die anderen 50 Prozent als Hundepsychologin. Zurzeit habe ich etwas mehr Zeit für die Arbeit mit den Hunden, da ich noch in Elternzeit bin. Den Hundeblog haben mein Mann Fabian und ich Anfang 2013 aufgesetzt. Das war kurz vor Maries Geburt und war eher als Hobby gedacht.

Wann hast du Tierpsychologie studiert?

Das Tierpsychologiestudium habe ich als Fernstudium berufsbegleitend recht früh durchgezogen. Das Studium war die logische Konsequenz aus dem, was ich eh bereits seit Jahren gemacht hatte: die Arbeit mit Hunden. Schon mit 18 habe ich mich beim DRK in der Rettungsarbeit, aber auch im Tierschutz, engagiert. Mit Sammy, meinem mittlerweile 10-jährigen Chihuahua, habe ich die Rettungshundeausbildung gemacht. Die nötige Praxis habe ich mir also im Laufe der vergangenen 10 Jahre nach und nach angeeignet. Die Theorie kam mit dem Tierpsychologie-Studium on top.

Ein Chihuahua als Rettungshund ist nicht unbedingt Standard…

Allerdings. Aber da diese Hunde so schön klein sind, eignen sie sich perfekt für die Suche nach Verschütteten. Sie passen schließlich fast überall hinein.

Hundeblog Interview Julia Neuen

Julia mit ihrer Hündin Stella. Bild: Issn Rüde!

Wie seid ihr auf die Idee gekommen parallel auch noch einen Hundeblog aufzusetzen?

Wir waren der Meinung, dass es nur sehr wenige attraktive Hundeseiten im Netz gibt, die informativ, unterhaltend und interaktiv sind. Bei den meisten Seiten sprangen uns pink-blinkende Hundeknochen entgegen. Da haben wir uns gedacht: Es ist Zeit für etwas Frisches. Issn Rüde lebt davon, dass hauptsächlich Gastautoren Beiträge schreiben. Und das darf bei uns jeder.

Was macht einen Trainer oder Psychologen zum Experten?

Das, womit man sich als Experte von anderen Hundetrainern & Co. abgrenzt, ist der Erfahrungsschatz. Und der ist unbezahlbar. Ich habe seit meiner Zeit beim DRK und im Tierschutz mit sehr vielen Hunden gearbeitet. Je mehr Erfahrung du mit den unterschiedlichsten Hunden sammeln konntest, desto besser kannst du mit künftigen Fällen umgehen. Ich habe bei jedem Fall wieder etwas dazugelernt. Heute gibt es zahlreiche Schulen, an denen viel Theorie vermittelt wird und jeder am Ende mit einem Zertifikat in der Tasche nach Hause geht. Meiner Meinung nach entscheidet letztendlich aber die Erfahrung und nicht irgendein Zeugnis darüber, wer einen Hund wieder in die Spur bringt oder nicht.

Was ist der Unterschied zwischen einem Hundetrainer und einem Hundepsychologen?

Den Hundetrainer-Schein bekommst du recht schnell. Das führt natürlich auch dazu, dass sich viele schwarze Schafe im Markt tummeln. Die Ausbildung berührt nur die Oberfläche. Als Hundepsychologe lernst du, wie Hunde ticken, wie sie in bestimmten Situationen reagieren, wie du selbst reagieren musst. Das wichtigste auch hier wieder: die Erfahrung! Jeder Hund ist anders, hat einen anderen Charakter, befindet sich in einer anderen Entwicklungsphase, hat andere Erfahrungen gemacht etc. Das muss man erkennen können. Die gesamte Arbeit mit den Hunden befindet sich auf einer anderen Ebene als bei den meisten Trainern.

Heißt konkret?

Als Hundetrainer lernst du, wie du dem Hund Kommandos wie Sitz, Platz, Aus etc. beibringst. Bei einem jungen Hund funktioniert das noch gut. Gerät der Hund jedoch „aus der Bahn“ und zeigt problematisches oder sogar gefährliches Verhalten, kommst du mit einem Trainer nicht mehr sehr weit – ganz im Gegenteil. Vor kurzem erst hatte ich eine Kundin, die mit ihrem Terrier Hilfe bei sechs verschiedenen „Hundetrainern“ gesucht hat. Leider hat sich das Problemverhalten nicht verbessert, sondern verschärft. Das Ende vom Lied: Die Kundin hat viel Zeit und Geld verschwendet. In den schweren Fällen musst du die Hunde im wahrsten Sinne des Wortes „resetten“, wieder in die Spur bringen. Es ist im Grunde alles „heilbar“, meistens warten die Betroffenen aber zu lange bis sie sich an einen Hundepsychologen wenden.

Hundeblog Interview Julia Neuen

Julias Fellnasen Sammy und Stella. Bild: Issn Rüde!

Was ist einer der Hauptgründe, dass etwas schief läuft?

Die meisten Hundebesitzer – aber auch Trainer – unterschätzen die Veränderungen des hündischen Verhaltens und Charakters während der verschiedenen Entwicklungsstufen. Der Welpe passt sich noch gut an, der pubertierende Junghund stellt sein Herrchen und Frauchen auf die Probe. Und wie heißt es so schön: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ – zumindest nur mit der richtigen Hilfe. Beim Welpen lässt man noch vieles durchgehen – der ist ja schließlich so süß und zart. Wenn man allerdings nicht schon in der frühen Entwicklung Grenzen setzt, rächt sich das später. Der pubertierende Hund wird dann irgendwann ungemütlich. Oft fehlt den „Problemhunden“ die richtige Führung – vor allem bei dominanten Hunden wie Terriern kann das dann nach hinten losgehen.

Warum ist die Hemmschwelle, zu einem Hundepsychologen zu gehen, so hoch?

Ich glaube, dass es weniger mit der Hemmschwelle zu tun hat, sondern mit Unwissenheit. Hundepsychologen gibt es nur recht wenige auf dem Markt, Hundetrainer dafür wie Sand am Meer. Jeder kann prinzipiell Trainer werden, aber nur wenige steigen wirklich tiefer in die Psychologie ein. Die Leute googlen weit häufiger nach Hundetrainern als nach Hundepsychologen. Viele Hundehalter verstehen den Unterschied zwischen beiden Berufen nicht. Ihnen ist nicht klar, wo die Grenzen eines Hundetrainers liegen. Wenn noch alles normal läuft und der Hund keine Probleme macht, ist man mit einem Trainer vielleicht zufrieden. Erst wenn die Not und der Leidensdruck größer werden, beginnen die Leute über eine hundepsychologische Beratung nachzudenken. So bekomme ich leider nur noch die krassen Fälle vorgesetzt.

Apropos „krasse Fälle“: Martin Rütter oder Cesar Millan?

Martin Rütter macht eine klassische TV-Show. Seine Methoden sind ok, allerdings hat er immer mit recht harmlosen Hunden zu tun. Ihm wird beispielsweise kein hoch aggressiver Schäferhund oder Rotti vorgesetzt. Für die Zuschauer ist das wunderbar. Einen Fall, der grenzwertig gewesen wäre, sehen die Zuschauer in der Sendung aber nicht.
Mit Cesar habe ich bereits arbeiten dürfen, und zwar in New York. Er sollte mit einem Hund eines deutschen Klienten arbeiten. Ich war als Übersetzungshilfe an Bord und habe ihn live erlebt.

Hundeblog Interview Julia Neuen

Julia mit Stella. Bild: Issn Rüde!

Wie arbeitet Cesar wirklich? Findest du seine Trainingsmethoden vertretbar?

Cesar behandelt wirklich schwere Fälle. Insofern sind seine oft etwas härteren Methoden sicher bei dem einen oder anderen Hund sinnvoll. Cesar wendet eine Art Schocktherapie an, ist sehr dominant in seinem Auftreten und zieht sein Ding durch. Bei einigen Hunden, die zu ihm gebracht wurden, wäre er wahrscheinlich längst zu Hackfleisch verarbeitet worden, wenn er nicht hart durchgegriffen hätte. Außerdem ist er für die schweren Fälle wirklich die letzte Chance. Die Alternative wäre, dass der Hund eingeschläfert wird. Das darf man nicht vergessen. Ich selbst arbeite deutlich sanfter. Dennoch brauchen einige Fälle härtere Ansagen als andere. Da muss man bei jedem Hund individuell handeln.

Ist dir der Popo schon einmal auf Grundeis gegangen?

Es wäre gelogen, wenn ich das verneinen würde. Stell dir vor, dir steht ein extrem aggressiver Rottweiler gegenüber. Mit so einem Powerhund lässt sich wohl keiner gerne ein. Allerdings sichere ich mich immer ab: Wenn ich Kunden mit aggressiven Hunden besuche, bitte ich sie, die Hunde anzuleinen und ihnen einen Maulkorb anzulegen. Meistens handelt es sich aber eher um aggressives Verhalten gegenüber Artgenossen.

Dein abschließender Tipp an alle Hundebesitzer?!

Es sind oft die kleinen Dinge, die den Unterschied machen! Seid konsequent und zwar auch beim niedlichen, unschuldigen Welpen. Wichtig sind klare Grundregeln, die konsequent eingehalten werden. Unsere Hunde dürfen auch mal aufs Bett oder das Sofa. Das ist überhaupt kein Problem und kratzt auch nicht an eurer Führungsrolle. Hunde müssen sich an gewisse Grundregeln halten. Wer dabei nachgibt, kann vieles kaputt machen. Hunde müssen wissen, wie sie sich Menschen und anderen Hunden gegenüber zu verhalten haben. Hunde testen auch immer mal wieder aus, wie ernst ihr es mit euren Regeln tatsächlich meint. Da hilft nur Konsequenz und folgender Gedanke: Halten sich eure Hunde nicht an die Regeln, heißt das für sie weniger Freiheit und für euch mehr Stress.

Hier geht´s zu Julias Seite Dog and the city!

Julia, herzlichen Dank für das sehr interessante Gespräch!

 

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Hi, ich bin Neele, #Hundenärrin, #Hundemama, #Hundehaarmagnet, #Bücherwurm, #Textmaniac, #Yogi www.om-sweet-om.de. Auf diesem Hundeblog schreibe ich über das Leben mit Hund. Im Hundeblog findet ihr Trends, Lustiges, Ernstes, Absurdes, Wissenswertes. Ich sage nur: Let the dogs rock the world!

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