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Tierheim Hunde: Unser Leben mit „Problemhund“ Lou – Episode 15

Tierheim Hund
Neele
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Lou ist wohl das, was landläufig als „Hund mit geringen Chancen auf ein Leben ausserhalb des Tierheimes“ bezeichnet wird. Die Prognosen „schwer vermittelbar“ bis „aussichtslos“ schienen auf seiner Stirn zu prangen. Einem jungen Rüden, der in seinem Leben nichts falsch gemacht hat, sondern einfach in die falschen Hände geraten ist, geben Annika und ihr Mann Sebastian eine zweite Chance.

Von Gastautorin Annika

*Fortsetzung* – Lest auch Episode 1, 2 und 3 und 4: Tierheim Hunde: Unser Leben mit „Problemhund“ Lou – Episode 1Episode 2Episode 3Episode 4Episode 5 und Episode 6, Episode 7, Episode 89, Episode 10 und 11 und 12 und Episode 13 sowie 14.

Episode 15: Rückschläge

Wenn ich behaupten würde, dass es immer nur Freude macht, mit einem „Problemhund“ zu arbeiten, dann wäre das gelogen. Natürlich habe ich bereits über Situationen berichtet, die nervig sind. Diese Situationen hatten aber meist mit den Reaktionen des Umfeldes zu tun. Wenn ich über die Arbeit und Erfolge mit Lou berichtet habe, dann war meine Aussage darüber meist, dass es Spaß und Freude macht, die Entwicklung zu sehen. Jemand, der sich für einen „Problemhund“ entscheidet, sollte sich auch im Klaren sein, dass es nicht nur Erfolge gibt. Es gibt auch Rückschläge, oder zumindest Situationen, die uns als Mensch emotional zurückwerfen, obwohl der Hund sich eigentlich nicht verändert hat.

Wir sind „Problemhund“-Besitzer. Wir haben uns eingehend mit Lou beschäftigt, bevor wir uns für ihn entschieden haben. Wir haben uns ebenso eingehend mit allem beschäftigt, was durch diese Entscheidung auf uns zukommen kann. Wenn man mich fragen würde, würde ich sagen: „Mich schockt kein Verhalten, das Lou eventuell mal zeigen wird. Ich weiß, dass viel in ihm steckt und rechne daher mit allem!“ Und dennoch … das Menschen-Herz lässt sich manchmal nicht richtig ausschalten. Das sind die Momente, in denen man zweifelt, in denen vermutlich viele Leute aufgeben und das Tier zurück ins Tierheim bringen. Es sind die Momente, in denen man durchhalten und versuchen muss, sich auf seinen Verstand zurück zu besinnen. Ich möchte hier ein Beispiel anführen.

In den letzten Wochen waren wir von unseren Erfolgen wie beflügelt. Im Hundetraining gelang ein richtiges Nahekommen an den anderen Hund, draußen ließ sich Lou besser ausbremsen und fragte vermehrt bei uns Erlaubnisse ab. Unsere Motivation stieg, wir waren so stolz auf Lou.
Da wir einen unerschrockenen Jungen in der Nachbarschaft haben, der nicht direkt vor Lou davon rennt, wollten wir üben, näher an Kinder heranzukommen (mit Erlaubnis der Eltern; der Junge musste nur ruhig stehen bleiben). Und ja, es ist bereits auch möglich, näher an Kinder heran zu kommen. Aber wir mussten in dieser Situation auch deutlich an Lous Körpersprache feststellen, dass er Kinder tatsächlich (noch) beißen würde, wenn er die Möglichkeit dazu bekäme und keine Maulschlaufe tragen würde.

Ja, wir rechnen mit allem bei Lou, und dennoch hätten wir bereits erwartet, dass er eher nur eine große Klappe hat, da er bei Erwachsenen ja auch manchmal bellt und sich dann aber totstreicheln lassen würde. Emotional hat uns das sehr schockiert. Man versucht zwar sein Tier nicht zu vermenschlichen, aber wenn man auf der Erfolgswelle fliegt, neigt man doch manchmal dazu, dem Tier sein Triebverhalten abzusprechen und gegen menschliche Gefühle zu ersetzen. Umso schlimmer ist dann das Erwachen. Man denkt sich: „Sowas würde der tun?!“, „Ob wir das je hinbekommen?!“, „Wie kann er nur so gemein sein?!“, „Er hat DOCH nichts gelernt!“.

Wir waren wirklich fast drei Tage lang dem Hund gegenüber emotional abgekapselt und mussten uns zusammenreißen, um ihn normal zu behandeln. Streicheln, ihn irgendwie lieb haben, loben?! Das wollte man irgendwie gerade alles nicht mehr. Dabei muss man sich dann wieder vor Augen führen, dass der Hund gar nicht weiß, was da los war. Er sieht Kinder zur Zeit (noch) als Bedrohung an, er will sich schützen und er sieht, dass Kinder schwach sind. Für ihn erscheint es logisch, dass er diese also zum Selbstschutz angreifen müsse. Davon abgesehen hat er die Situation sowieso schon nach wenigen Sekunden wieder vergessen und kann Folgereaktionen gar nicht mehr damit in Verbindung bringen. Was also bringt es, den Hund nun dafür zu „bestrafen“, indem man ihn anmeckert (versteht er eh nicht) oder ihn nicht streichelt, ect. ?!

Wir als Besitzer haben einfach schon zu viel von ihm erwartet, wir haben trotz unseres Wissens um all seine Probleme unser Wunschdenken eingeschaltet und sind nun schockiert, dass er ja ein „Problemhund“ ist. Lou hat keinen Rückschritt gemacht, er kann noch genauso viel wie vor der Übung. Wir haben ihn überschätzt, wir müssen wieder zu unserer Geduld finden. Und auch, wenn uns diese Erkenntnis nach all den Erfolgen erst einmal niedergeschmettert hat, wir haben durchgehalten. Und wir sind dadurch vielleicht jetzt sogar noch etwas motivierter und darauf bedacht, noch besser konsequent zu sein, damit dieses Problem schneller in den Griff zu bekommen ist.

Nach ein paar Tagen bekamen wir wieder ein Auge für alle bisher erreichten Fortschritte und haben unseren Wauzi wieder lieb. Wenn er das noch nicht kann, müssen WIR besser werden!!! Denn der Hund kann nur so gut werden, wie der Mensch es ihm vermittelt!

Also, back to the roots! Neue Motivation, wieder den Blick aufs Wesentliche richten! So haben auch solche Rückschläge etwas Gutes für uns, denn auch wir lassen uns manchmal von den braunen Rehaugen unseres Hundes manipulieren und werden somit wieder auf den Boden der Tatsachen geholt. „Problemhund“-Erziehung ist nicht nur schön. Sie ist auch anstrengend und tut manchmal weh. Das sollte man nie vergessen! Und wenn es dann doch mal weh tut:
Durchhalten! Man kann das Ziel trotzdem erreichen, und das tut dann Hund und Besitzer gut!

Fortsetzung folgt am 11. März 2018. Verfolgt jeden Sonntag die Geschichte von Lou, dem Hund aus dem Tierheim!

 

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