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Hund und Kind: So werden sie beste Freunde!

Neele
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Interview mit Udo Kopernik, Vorstand für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher beim Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH).

Hunde und Kinder bilden ein ganz besonderes Team. Zwischen ihnen scheint eine natürliche Anziehungskraft zu wirken – vorausgesetzt, beide haben bisher positive Erfahrungen miteinander gemacht und wissen um die Bedürfnisse und Eigenschaften des jeweils anderen. Kinder und Hunde kommunizieren unmittelbarer, ehrlicher und eindeutiger als es mancher Erwachsene tut. Beide haben zudem sehr ähnliche Neigungen, Interessen und sogar Probleme.

Was die Beziehung zwischen diesen beiden Partnern auszeichnet, aber auch, was das Verhältnis belasten kann, beantwortet Udo Kopernik im Interview mit dem Fiffibene Hundeblog.

Seit wann sind Sie in der Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes tätig? Seit wann sind Sie Herrchen? 

Na, ja, Herrchen? Wer in der Beziehung Mensch-Hund die Rolle des Herrchens übernimmt und wer der Diener ist, frage ich mich manchmal, wenn ich die Näpfe fülle, die Decken reinige, das Fell bürste oder den Kotbeutel zücke… Aber die Nähe zu Hunden habe ich immer gesucht. Schon als Kind, obwohl wir selber keine Hunde halten konnten. Aber die Nachbarn hatten einen verspielten Boxerrüden und bald ein Kind mehr im Haus. Später „adoptierte“ – es war wohl eher ein Annektieren – ich den Kurzhaar-Dackel der Freundin meines älteren Bruders. So spielen Hunde also von Kindesbeinen an eine wichtige Rolle in meinem Leben. Der erste eigene Hund zog dann vor knapp 35 Jahren bei uns ein und von da an gab es „kein Halten“ mehr: Seit 20 Jahren bin ich Pressesprecher des Verbands für das Deutsche Hundewesen (VDH).

VDH

Polie, einer von Koperniks vierbeinigen Familienmitgliedern

Warum ist die Beziehung zwischen Kind und Hund eine Besondere?

Die Beziehung zwischen Menschen und Hunden ist eine Besondere. Das betrifft nicht nur die Kinder. Es gibt kein anderes Tier, das dem Menschen so dicht auf die Pelle gerückt ist. Hunde dürfen manchmal sogar mit ins Bett. Das ist übrigens kein Phänomen unserer Zeit. Auch bei den so genannten Naturvölkern kann man das beobachten. So wird zum Beispiel von den australischen Aborigines berichtet, dass sie in kalten Nächten mit ihren Hunden zusammen schliefen. Und wenn es richtig kalt war, nannte man dies eine „drei-Hunde-Nacht“.

Warum ist die Beziehung bis heute so eng?

Wer so eng miteinander lebt, der ist miteinander bestens vertraut und lernt auch voneinander. So wissen wir heute nach Untersuchungen des Max-Planck-Instituts in Leipzig, dass Hunde die Körpersprache besser verstehen als Affen – unsere nächsten Verwandten im Tierreich. Der Ethologee Wolfgang M. Schleidt und der Biologe Michael D. Shalter haben eine Theorie der Ko-Evolution von Menschen und Hunden entwickelt, die auch erklären kann, warum unsere Ethik in der Natur am ehesten der des Wolfes entspricht. Sehr gut wird das in dem Buch „Affe trifft Wolf“ von Günther Bloch und Elli Radinger dargestellt.

Dabei ist die Verbindung zwischen Kind und Hund eine besonders glückliche.

Warum?

Das liegt vermutlich weniger an den Kindern sondern daran, dass wir Erwachsenen im Laufe unserer persönlichen Entwicklung einige unserer kindlichen Fähigkeiten abgelegt oder verloren haben. Kinder empfinden den Hund als menschenähnlich. Für sie ist er ein Freund und Spielgefährte mit charakteristischen Fähigkeiten, die vom Kind anerkannt werden und denen es seine eigenen Fähigkeiten gegenüberstellen kann. Der Vierbeiner erfüllt emotionale Bedürfnisse des Kindes – vor allem nach Körperkontakt. Er tut dies ohne Vorleistungen zu verlangen (es gibt kein: „Wenn Du jetzt aufräumst, dann spiele ich auch mit Dir!“). Er tut dies vielmehr, da er dieselben Bedürfnisse hat. Der Hund ist in der Familie immer verfügbar, hat immer Zeit. Die von Kindern bevorzugten Umgangsformen (wie Schmusen, Streicheln, Spielen) werden vom Hund positiv erwidert, weil sie in ähnlicher Form auch zu seinem Verhalten gehören.

Hund und Kind

Kinder empfinden den Hund als menschenähnlich. Für sie ist er ein Freund und Spielgefährte.

Inwiefern haben Hunde einen positiven Einfluss auf Kinder?

Hunde können das Bedürfnis des Kindes nach emotionaler Nähe befriedigen. Da er sich nicht wie ein Erwachsener verhält, empfindet das Kind zu ihm auch keine Distanz. Der Hund kann die Entstehung der frühen Identität – also der Selbsterkenntnis des Kindes als Individuum–durch seine Andersartigkeit unterstützen. Das Kind erlebt sein Ich im Vergleich zur Andersartigkeit des Hundes, ohne auf Distanz zu ihm gehen zu müssen. Die Eltern werden aufgrund ihrer scheinbaren Unerreichbarkeit in einen solchen Vergleich nicht einbezogen. Durch das Spielen mit dem Hund übernimmt das Kind neue Perspektiven oder Rollen – eine Chance für das Kind, mit Hilfe des Hundes seine Ichbezogenheit zu verlassen. Dies ist ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg zur Kommunikationsfähigkeit.

Der Hund ist für das Kind ein attraktiver Kommunikationspartner. Die Beziehung zeichnet sich durch eine große Nähe und Intimität aus. Daraus erwächst ein Gefühl des Respekts vor dem Hund – nicht aber aus Furcht, es sei denn, das Kind hätte eine Kommunikationsform gewählt, auf die der Hund in schmerzhafter Weise reagiert hätte. Doch selbst dann ist diese Furcht nichts Nachteiliges, weil dem Kind die Ursachen dafür bekannt sind, es seine Furcht verarbeiten und damit eine neue Lebenserfahrung gewinnen kann.

Gilt es altersunabhängig?

Beziehungen zwischen Kind und Hund sind abhängig vom Alter. Streicheln und Spielen in der Wohnung sind die Hauptformen des Kontakts zwischen Kleinkindern und ihrem Hund. Bereits im Krabbelalter, also mit etwa neun Monaten, ist diese Kontaktaufnahme möglich und beschränkt sich auch lange Zeit nur darauf.

Beziehungen zwischen Kind und Hund sind abhängig vom Alter. Streicheln und Spielen in der Wohnung sind die Hauptformen des Kontakts zwischen Kleinkindern und ihrem Hund.

Beziehungen zwischen Kind und Hund sind abhängig vom Alter. Streicheln und Spielen in der Wohnung sind die Hauptformen des Kontakts zwischen Kleinkindern und ihrem Hund.

Mit dem Spracherwerb, beginnend etwa zwischen 1,5 und 2 Jahren, verändert sich diese Beziehung. Der Hund kann vom Kind gerufen werden, er wird zum Kommunikationspartner. Er verhilft dem Kind zu positiven Erlebnissen, wenn er auf das Rufen folgt. Der Hund kann aber auch– wenn er nicht folgt – Unmutshandlungen beim Kind hervorrufen. Der Hund kann nun zum Vertrauten werden, dem man alles sagen kann, wenn einem die Erwachsenenwelt dafür zu weit entfernt oder ungeeignet erscheint – Hunde bewahren jedes Geheimnis. Gerade Einzelkinder erleben den Hund als Geschwisterersatz, als „Gleichaltrigen“ in einer von den Erwachsenen bestimmten Welt.

Mit dem Schuleintritt erfahren die Beziehungen eine erneute Veränderung. Die Welt des Kindes öffnet sich nach außen, der Hund bleibt in der familiären Welt zurück – er wird zum Freund, der immer da ist, wenn man ihn braucht. Das Kind erlebt sich selbst in wechselnden Stimmungen (Freude, Trauer etc.) und erkennt diese auch bei seinem Hund. Die geistige Entwicklung des Kindes, zunehmendes Sachinteresse und die bereits gewonnenen Erfahrungen im Umgang mit dem Hund verfestigen die Beziehung und lassen daraus eine dauerhafte Partnerschaft entstehen.                             

Was sollten Eltern/Kinder im Umgang mit Hunden beachten?

Mir wird häufig die Frage gestellt: „Ist die Rasse XY kinderlieb.“ Eine kluge Freundin hat darauf die kürzeste Antwort geliefert: „Wenn die Kinder lieb sind.“ Das ist sehr treffend. Hunde und Kinder brauchen klare Grenzen und eine soziale Bindung, die ihnen Sicherheit bietet – sie brauchen beide Erziehung. Unabhängig vom Alter des Kindes fällt den Eltern dabei eine große Verantwortung zu. Sie müssen ihr Kind auf den Umgang mit dem Hund vorbereiten. Es wird kaum einem Kind gelingen, die erforderliche Autorität aufzubringen, einen Hund wirklich zu kontrollieren. An diese Aufgabe lässt sich am ehesten noch ein über zehn- bis zwölfjähriges Kind heranführen, das bereits Erfahrung im Umgang mit Hunden sammeln konnte. Die eventuell vorhandene Absicht, ein Kind mit der Betreuung und Erziehung eines Hundes allein zu betrauen, ist nicht nur zum Scheitern verurteilt, sondern in hohem Maße verantwortungslos.

Welche Rolle hat der Hund in der Familie? Welche nicht?

Für das Kind ist der Hund in erster Linie ein Partner – in vielen Bereichen gleichberechtigt und in positiver Hinsicht in einer ähnlichen Position gegenüber den Eltern: Das Kind hat in ihm einen zuverlässigen Vertrauten und Verbündeten. Soll der Hund hingegen fehlende Zeit in der Kinderbetreuung kompensieren, ist der Hund eine ungeeignete Wahl. Er sucht Sicherheit in seiner Familie (wie Kinder), und die wird durch die Präsenz von Autorität hergestellt. Diese kann durch Kinder nicht hergestellt werden, und der Hund würde so in die (auch für ihn) unangenehme Situation gedrängt, dieses Defizit selbst zu füllen: Sicherheit für sich selbst und auch für die ihm anvertrauten Menschen herzustellen. Dann befindet sich der Hund nicht mehr in der Rolle des Partners, sondern nimmt aus der Sicht des Kindes eine übergeordnete Position ein – statt einen Verbündeten zu gewinnen, erfährt es eine drastische Verschlechterung seiner eigenen Rolle in der Familie.

Es ist ja erwiesen, dass Hunde Eifersucht gegenüber Artgenossen empfinden. Ist das auch beim neuen zweibeinigen Familienmitglied der Fall?

Ich bin überzeugt, dass Hunde Eifersucht anders empfinden, als wir das zum Beispiel tun. Aber zweifellos werden Hunde als sozial hoch entwickelte Lebewesen, Gefühle entwickeln: Sie können sich freuen und auch so richtig ärgern. Der Ärger wird mit Sicherheit dann entstehen, wenn ein neues Familienmitglied von jetzt auf gleich die gesamte und ungeteilte Aufmerksamkeit der anderen Mitglieder seines „Rudels“ für sich in Anspruch nimmt.

Was sollten junge Eltern beachten, bevor ein Baby ins Rudel einzieht?

Der Hund (Wolf) ist sehr gruppenbezogen. Hundezüchter können sehr gut beobachten, wie sich alle erwachsenen Hunde in die Versorgung und Erziehung des Nachwuchses einbringen. Ein Hund würde daher kaum verstehen, wenn er vom Baby ferngehalten würde. Zweifellos wird ein Baby den gewohnten Tagesablauf gehörig durcheinander wirbeln. Darauf sollte man auf jeden Fall den Hund vorbereiten und versuchen schon zuvor die Spaziergänge und Beschäftigung mit dem Hund auf den späteren „Baby-Modus“ zu bringen. Da Auslastung für den Hund auch in der Familie mit Kind wichtig ist, kann vielleicht der Partner, der gerade weniger mit dem Kind beschäftigt ist, sich intensiver mit dem Hund beschäftigen. 

Ein Wort zum Schluss?…

Der enorme Gewinn an Lebensqualität im Familienleben, den Hunde bedeuten können, ist in erster Linie abhängig vom Verständnis und der Verantwortung der Eltern. Neben der Erziehung des Kindes kommt mit dem Welpen die des Hundes hinzu. Darüber hinaus müssen die Kinder auf den Umgang mit dem Hund vorbereitet und danach kontinuierlich angeleitet werden. Auch die Versorgung des Hundes sollte für das Kind keine lästige Pflicht sein, sondern ist Aufgabe des Erwachsenen. Werden diese Voraussetzungen sichergestellt, ist der Hund ein verlässlicher Partner in der Familie und ein „Kumpel“, der ohne Bedingungen seine Zuneigung auf eine einzigartige Weise deutlich zu machen versteht.

Herr Kopernik, herzlichen Dank für das Gespräch!

 

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Bilder: Udo Kopernik & Clipdealer

 

 

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